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Hardliner, weichgespült

Hessens CDU ging früher oft mit Parolen gegen Migranten auf Wählerfang - 2018 ist es anders

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Tatsache, dass die Christdemokraten in Hessen in früheren Jahren mit rassistisch motivierten Kampagnen und Parolen auf Stimmenfang gingen, haben viele ältere Akteure nicht vergessen und verziehen. Anfang des Jahres 1999 zog der damalige CDU-Spitzenmann Roland Koch wie ein Besessener mit einer Unterschriftensammlung gegen Pläne für die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft in den Wahlkampf. Dies war vor allem gegen Migranten aus der Türkei gerichtet und dürfte ihm damals die entscheidenden Stimmen für den knappen Sieg gebracht haben.

Jahrelang polemisierten CDU-Abgeordnete auch gegen den muttersprachlichen Unterricht für Migrantenkinder und verlangten, »dass die Eltern mit ihren Kindern Deutsch sprechen«. Als Anfang 2008 Wechselstimmung im Lande herrschte und eine Abwahl Kochs zum Greifen nahe war, setzte die CDU auf riesigen Plakatwänden mit der Parole »Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen« ebenfalls unterschwellig auf Ressentiments gegen die »undeutsch« klingenden Namen der Spitzenkandidaten von SPD und Grünen.

Koch, der sich nach seinem selbst gewollten Abgang 2010 erfolglos als Manager des Bilfinger-Konzerns versuchte, ist inzwischen in Hessen Geschichte. Sein Nachfolger Volker Bouffier, der in früheren Jahren als CDU-Innenminister als Hardliner und Law-and-Order-Mann auftrat, regiert seit Anfang 2014 geräuschlos mit Tarek Al-Wazirs Grünen. Und er würde mit seinem Duzfreund Tarek nach der Landtagswahl am 28. Oktober erklärtermaßen gerne noch einmal fünf Jahre weitermachen.

Sicher auch um des Koalitionsfriedens Willen nimmt Bouffier im aktuellen Abstand von schrillen Parolen gegen Migranten und Fremde. Sie lägen wohl auch nicht im Interesse der Geschäftswelt, die vor allem im Ballungsgebiet rund um die Bankenme-tropole Frankfurt am Main Weltoffenheit demonstrieren will und Investoren aus aller Welt anlocken möchte. So auch die vom nahenden Brexit betroffenen »Brefugees«, also Manager und gut bezahlte Angestellte von Firmen und Institutionen, die Großbritannien verlassen wollen, um auf auf den Kontinent zu ziehen.

So ist zumindest die klassische, einst mit dem Begriff »Gastarbeiter« beschriebene Migration früherer Jahrzehnte aus dem Mittelmeerraum im Zuwanderungsland Hessen für die bisherigen Landtagsparteien kein zentrales Thema mehr. Im laufenden Wahlkampf geht die CDU sogar mit dem konservativen türkischstämmigen Journalisten und Landtagsabgeordneten Ismail Tipi auf Stimmenfang, den sie auf Platz zehn der Landesliste abgesichert hat.

Leisere Töne Bouffiers in der Migrationsfrage, die sich von jüngsten schrillen Aussagen aus dem Munde der CSU-Größen Seehofer und Söder abheben, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die schwarz-grüne Regierung in Hessen besonders seit 2015 die bundesweite Verschärfung der Asylpolitik mittrug. Dies führte dazu, dass die türkischstämmige Landtagsabgeordnete Mürvet Öztürk im Herbst 2015 aus Protest gegen die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer und die damit einhergehende verschärfte Abschiebepraxis aus der Grünen-Fraktion und schließlich auch aus der Partei austrat. Bis zum Ende der Wahlperiode im Januar 2019 sitzt sie als fraktionslose Abgeordnete im Parlament.

Offen rassistische Parolen kommen in Hessen inzwischen vor allem von der Rechtspartei AfD, die unbedingt nun auch in den Landtag einziehen will. Sie will aus dem angeblichen »Linksruck« der Bouffier-CDU politisches Kapital schlagen und kommt gebetsmühlenartig immer wieder auf die Themen Flucht, Migration und Islam zu sprechen. »Wenn AfD-Kandidaten über dieses Kernthema hinaus Fragen gestellt bekommen, herrschen inhaltliche Leere, Unkenntnis und extrem marktliberale Ansichten vor«, bringt es der Wiesbadener DGB-Kreisvorsitzende Sascha Schmidt auf den Punkt. Er engagiert sich in der landesweiten Kampagne »Keine AfD im Landtag«

Sascha Schmidt freut sich darüber, dass bei einem landesweiten Aktionstag gegen rechte Hetze am vergangenen Wochenende zeitgleich mit der Berliner Großdemonstration des »Unteilbar«-Bündnisses in zwölf hessischen Städten dezentrale Aktionen stattfanden. In Frankfurt am Main nahmen dabei 8000 Menschen teil. Während die Hessen-AfD laut Schmidt »in ihrem Programm offenkundig die Interessen von Vermietern, Bauinvestoren und Wohnungsspekulanten fest im Blick hat und den Bau von Sozialwohnungen ablehnt«, ruft ein breites Aktionsbündnis für den kommenden Samstag zu einer landesweiten Demonstration in Frankfurt gegen die Verdrängung von Mietern und für bezahlbaren Wohnraum auf. Damit soll der Druck von unten auf die Landespolitik erhöht werden.

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